Gerade hat DIE ZEIT mit ihrer wunderbaren Reihe „Gestrandet in…“ die Stadt der einzig wahren Borussia besucht: Mönchengladbach. Ausgehend von der Annahme, für diesen Besuch stünden zwei Stunden zur Verfügung, empfiehlt der Journalist Christof Siemes das Minto – das auf dem Gelände des früheren Theaters erbaute neue Einkaufscenter der Stadt – das Münster St. Vitus, das Museum Abteiberg und die mit dem Bus rund zwanzig Minuten entfernte neue Heimat von Borussia Mönchengladbach, den Borussia-Park im Nordpark samt Clubgaststätte. Auch meiner Lieblingskonditorei Heinemann räumt er abschließend einige Zeilen ein, ebenso wie der Traditionskneipe St. Vith am Alter Markt, in der jeder Mönchengladbacher wohl mindestens einmal in seinem Leben richtig versackt ist.
Sehr schön gemacht, aber ich finde: Da geht noch was. Daher habe ich ein paar Tipps für den Fall aufgeschrieben, dass ihr irgendwann einmal kürzer oder länger in Mönchengladbach „strandet“. Im besten Fall aber plant ihr nach dem Lesen dieses Posts sogar einen Besuch in der Vitusstadt.
An der Empfehlung Siemes‘, das Münster zu besuchen, gibt es nichts zu rütteln. Auch das wunderbare Museum Abteiberg sollte jeder Kunst- und Architekturfreund mindestens einmal von innen respektive außen gesehen haben. Zum Zeitpunkt seiner Eröffnung, 1982, sorgte der Bau von Hans Hollein für Furore und ist auch mehr als 30 Jahre später immer noch ein interessantes Gebäude. Die darin beheimateten Werke stehen etwa denen in Düsseldorfer Museen, deren erklärter Fan ich bin, in nichts nach. Im Skulpturengarten, der das Museum umgibt und der kostenlos zugänglich ist, könnt ihr zwischen modernen Skulpturen unter anderem von Franz West, Larry Bell und Mauro Staccioli durch den kleinen zweiteilig angelegten Park flanieren.
Rund um den Alter Markt und die Altstadt
Wenn ihr euch schon einmal die Mühe gemacht habt, entweder die unzähligen Treppenstufen vom Parkplatz am Geroweiher unterhalb des Münsters oder die nicht minder anstrengende Hindenburgstraße hoch zum Alter Markt zu laufen, solltet ihr euch ein wenig umsehen. Das St. Vith wurde im Artikel von DIE ZEIT bereits erwähnt. Ob für ein schnelles Mittagessen, einen gemütlichen Abend oder nur ein Bierchen: Das älteste Gasthaus der Stadt mit seinen urigen Räumlichkeiten sollte jeder Besucher einmal besucht haben.
Die Moshi Bar zwischen Münster und Museum ist zwar nicht einmal annähernd das älteste Gasthaus der Stadt, hält sich aber dafür schon seit sicherlich etwa zwanzig Jahren und war, wenn ich mich richtig erinnere, die erste Gastronomie der Stadt, in der man Sushi bekam. Im modernen Ambiente könnt ihr euch das auch noch heute servieren lassen – oder ihr genießt einfach einen Cocktail, bevor ihr in der Altstadt weiterfeiert. Dort solltet ihr übrigens auf eure Wertsachen achten, Taschendiebe haben die ertragreiche Gegend schon immer zu schätzen gewusst.
Zum Weiterfeiern eignen sich zwei weitere Gladbacher Institutionen: Graefen Clubbing am Alter Markt und Die Nacht auf der Waldhausener Straße. Wenn Die Nacht von außen noch so unscheinbar ist, wie sie es vor zehn, 15 Jahren war, dann solltet ihr auf eine Grabkerze auf der Stufe eines Hauses Ausschau halten, um einen meiner früheren Lieblingsclubs zu finden. Damals wie heute spielen DJs wie Marwin oder Tocadisco allerbeste House- und Technomusik – beides weder damals noch heute meine Lieblingsmusikrichtungen, aber dort waren sie für mich auch dank der beiden lokalen DJs stets ein Vergnügen.
Es lohnt sich zudem immer, im Projekt 42 oder im Herr Rossi vorbeizuschauen, die sich inzwischen fast ebenso lange in der Altstadt halten wie die beiden anderen Clubs.
Einige meiner früheren Lieblingslocations wie die Banane, das Double5 oder andere, deren Namen mir partout nicht mehr einfallen wollen (oder auch das Rock Babylon, aber das war in Giesenkirchen, am anderen Ende der Stadt, weshalb es hier gar nicht hingehört, also weiter) sind dagegen längst dicht.
Erstaunlich viele meiner Lieblingslocations, wie die oben bereits erwähnten, existieren aber noch. Dazu zählen auch das Abacab und das Mezcalito. Das Abacab, jahrelang Pflichtlocation für meine Altstadtbesuche, ist wohl das, was in Mönchengladbach einer Rock-Kneipe am nächsten kommt. Dagegen ist das Mezcalito eine Kneipe im mexikanischen Stil mit dem besten Erdbeer-Margarita Deutschlands (zumindest, wenn er immer noch so gut ist, wie er es früher war) und studentischem Publikum, das den Boden seit x Generationen gewissenhaft und ausdauernd mit Erdnussschalen überzieht.
Schlemmen in der Stadt
Solltet ihr Mönchengladbach ein wenig früher am Tag besuchen und die Altstadt noch keine Option sein, empfehle ich euch neben dem bereits erwähnten obligatorischen Besuch der Konditorei Heinemann (Whisky Trüffel!) diverse Cafés, bei denen ihr sowohl frühstücken, als auch weitere Mahlzeiten des Tages einnehmen könnt.
Das Café ist seit sicher über 25 Jahren die Anlaufstelle vor allem für Mönchengladbacher Schüler und Studenten und immer noch so gemütlich, wie es während meiner Schulzeit war, als ich dort jahrelang gefühlt die Vorräte an heißem Kakao mit Sahne weggetrunken habe.
Das Mokka besteht nicht ganz so lange, ist aber dennoch am unteren Ende der Hindenburgstraße fest etabliert und bietet ebenso wie Das Café eine schöne Frühstücksauswahl und weitere Köstlichkeiten.
Ebenso nah am Hauptbahnhof, allerdings in der anderen Richtung, liegt das im Vergleich dazu eher neue Café van Dooren. Direkt am kleinen, mit Grünpflanzen gestalteten Schillerplatz – einst der Treffpunkt der stadtweit berüchtigten Schiller Fighter (fragt nicht) – serviert man in gemütlichen, hellen Räumlichkeiten eines Altbaus im Gründerzeitviertel ansonsten eher griechisch angehauchtes Essen.
Von dort aus könnt ihr übrigens schnell noch einen Abstecher in den Bunter Garten machen, den großen Park mitten in Mönchengladbach. Dabei müsst ihr an der Kaiser-Friedrich-Halle vorbei – früher Location für Veranstaltungen wie die beliebte Kaisernacht (später Traumnacht, da war wohl irgendetwas mit Namensrechten, fragt nicht), zu denen sämtliche Schüler der Stadt ab 14 Jahren strömten – aber dann liegen 30 Hektar schönste Grünfläche vor euch.
Für den kleineren Hunger könnt ihr auch in das wenige Meter vom Mokka entfernte, seit Jahren beliebte Goody Foody gehen. Soweit ich mich erinnere, war es der erste Laden der Stadt, der „gesundes“ Essen angeboten hat. Wenn der Hunger größer ist oder ihr gerne etwas länger sitzen bleiben möchtet, ist das Café Belli mit seinem wunderbaren türkischen Essen mein Favorit. Muss ich jetzt eigentlich noch extra schreiben, dass es sicher schon über zwanzig Jahre in Gladbach ist?
Noch kurz erwähnen möchte ich aber den ersten „richtigen“ Sushi-Laden der Stadt: das Sushi Yi, ein kleiner, eher unscheinbarer Imbiss in einer Ecke des Kapuzinerplatzes. Wunderbares Sushi und eine sehr nette Inhaberin. Deshalb war (und ist) das Sushi Yi eines meiner Lieblingsrestaurants in der Stadt.
Die Stadtteil-Stadt Rheydt
Wen es mehr in die zweite Stadt der Stadt (die Geschichte, dass Mönchengladbach aufgrund einer Gebietsreform die einzige Stadt Deutschlands ist, die zwei Hauptbahnhöfe hat, kennt ihr ja sicher), nach Rheydt zieht, der kann im Café Trotzdem ebenfalls türkisches Essen genießen. Mein Favorit war früher der Spinatauflauf. Hach. Und muss ich jetzt eigentlich schreiben, dass die Gastronomie seit fast 30 Jahren…
Das Café 4 Komma 3 (angeblich nach der (Abschluss-?)Note eines Studenten (und des damaligen Inhabers?) der nahegelegenen Fachhochschule benannt) ist ein unfreiwilliger Ableger des Trotzdem. Zumindest wenn ich mich richtig erinnere, hat es ein ehemaliger Angestellter nicht allzu weit davon entfernt eröffnet. Auch dort gibt es türkisches Essen und das nun auch schon sicher seit über 15 Jahre.
Was gibt’s noch?
Die Kleinkunstbühne Die Spindel, die leider ihre tollen Räumlichkeiten am Haus der Erholung verlassen musste. Inzwischen hat das großartige Kleinkunstangebot im BIS – Zentrum für offene Kulturarbeit eine neue Heimat gefunden.
Außerdem das Theater Mönchengladbach, das nach Schließung und letztendlich Abriss des alten Gebäudes an der Hindenburgstraße nun in Rheydt zu finden ist, und in dem ich immer mal wieder hervorragende Aufführungen gesehen habe. Noch heute erinnere ich mich gerne an eine wirklich großartige Inszenierung von Maria Stuart.
Das neue Vitusbad, das, nachdem das alte Zentralbad am Fuße des Münsters vor etwa 15 Jahren abbrannte, in der Nähe des Hauptbahnhofs neu erbaut wurde.
Oder wiederum in Rheydt die einzige komplett erhaltene Renaissance-Anlage am Niederrhein, Schloss Rheydt. Das Schloss-Museum zeigt Ausstellungen zu Kunst und Kultur der Renaissance, der Geschichte des Hauses und der Stadt sowie immer wieder Wechselausstellungen. Wer gerne spazieren geht, wird den kleinen, das Gebäudeensemble umgebenden Schlosspark und den angrenzenden Wald bevorzugen.
Im direkt am Schloss gelegenen Restaurant Purino habe ich ein-, zweimal wirklich sehr gut gegessen. Da es „Sonderpizzen“ waren, die nicht auf der regulären Karte zu finden sind, kann ich euch leider keine genauere Empfehlung geben.
Der kleine Nachbar
An dieser Stelle noch ein schneller Ausflug in die Nachbarstadt: Nicht weit vom Schloss entfernt liegt die Korschenbroicher Bolten Brauerei, die älteste Altbierbrauerei der Welt (da kommt bei mir der Lokalpatriotismus voll zum Vorschein). Leider gibt es aktuell keine Möglichkeit, die Brauerei zu besichtigen. Allerdings könnt ihr in einem kleinen Abholmarkt diverse Artikel kaufen und bei schönem Wetter ist der Picknick-Biergarten direkt gegenüber der Brauerei geöffnet. Ob er tatsächlich geöffnet ist, könnt ihr auf der entsprechenden Webpage sehen. Das Essen für euer Picknick dürft ihr selber mitbringen, die Getränke müssen vor Ort gekauft werden. Kleinigkeiten sind aber dennoch im Angebot, sodass auch Spontanbesucher nicht verhungern müssen.
Fazit
Mönchengladbach mag keine Stadt mit prickelndem Flair und voller Geheimtipps sein. Dennoch können abenteuerlustige Besucher besondere Orte finden und Neues entdecken. Schon die Tatsache, dass sich viele Gastronomien zehn, zwanzig Jahre oder länger gehalten haben, spricht für ihre Qualität – und die Treue der Gladbacher. Es lohnt sich also, für diese Stadt mehr Zeit als nur zwei Stunden einzuplanen.